Bayerische Wirtshauskultur
Drei Männer sitzen an einem Tisch. Vor ihnen steht je ein Glas Bier. Wildgeweihe verschiedener Größen hängen an der Wand über ihnen. Im Eck steht ein grüner Kachelofen. Eine Dame mittleren Alters kommt hinter dem Schanktisch hervor. In der Hand hält sie weitere Gläser voll Bier. Mit Schwung durchquert sie den Gastraum und wirft uns ein Griaß Eich zu. Ihr bodenlanges Dirndl schwingt über den Holzboden. Wir setzen uns an einen freien Tisch. Im Eck über uns hängt kein Hirschgeweih, dafür aber ein Kruzifix und gegenüber an der Wand Fische aus Holz. Wir sitzen in der Bauernstube vom Wieserwirt. Es ist gemütlich und irgendwie so richtig bayerisch hier. Urbayerisch würde ich sagen. Hier gibt es kein chichi, es ist nichts auf modern gemacht. Und auch die Karte ist typisch bayerisch. Sauerbraten, Hackbraten, Schnitzel, Fisch- und Wildspezialitäten und weitere, meist deftige, Gerichte stehen auf der Karte. Der Wieserwirt ist ein bayerisches Wirtshaus wie man es sich vorstellt.
Was ist das denn für eine Kultur?
Ja, die Wirtshauskultur ist wirklich eine Kultur. Und jeder der schon einmal in Bayern im Urlaub war, ist ihr begegnet. Kein anderes Bundesland hat so viele Wirtshäuser wie Bayern und nirgends woanders kommt dem Wirtshaus so ein großer kultureller und sozialer Stellenwert zu wie hier. Im Wirtshaus treffen sich die Menschen. Es ist der Ort an dem man Neuigkeiten austauscht, über verschiedenste Themen fachsimpelt oder einfach über den Alltag plaudert. Und das schon seit dem Mittelalter.
Manchmal ist es aber auch ein Ort an dem man einfach beisammen sitzt ohne viel Worte zu verlieren. Ein Ort wo man am Abend einfach in Ruhe ein Bier trinkt oder eine Runde Karten spielt und so den Tag ausklingen lässt.
Der Wieserwirt scheint so ein Ort zu sein, zumindest an diesem Abend. Viele Tische sind belegt, doch es ist auffallend ruhig in der Gaststube. Die Gäste genießen ihr Essen, schauen sich um, reden aber nicht viel. Wir schauen uns ebenfalls um und entscheiden uns für einen Sauerbraten mit Knödel und Blaukraut und Spargel mit Schinken und Kartoffeln. Für Hanna gibt es eine Portion Spätzle mit Soß. Alles schmeckt hervorragend. Müsste ich den Geschmack beschreiben, würde ich sagen es schmeckt wie bei Oma. Ich mag authentische Lokale und gutes Essen und deshalb gefällt es mir hier im Wieserwirt sehr gut.
Am zweiten Abend verschlägt es uns in den Altwirt. Ein wunderschönes Lokal mit drei verschiedenen Stuben. Auch hier ist es gemütlich, aber anders gemütlich wie am Abend zuvor. Während der Wieserwirt eine altbayerische Bauernstube hat, sind die Stuben hier so zu sagen modern auf altbayerisch gemacht. Wunderschönes Altholz ziert die Flößer- und die Isarstub`n. Die Wände und der Boden sind daraus. Große Wandleuchten spenden warmes Licht, verschiedene Bilder erinnern an vergangene Zeiten. Man fühlt sich auf anhieb wohl hier, möchte sich setzen und gemütlich etwas trinken.
Doch die Speisekarte überrascht uns. Wir hatten ausschließlich bayerische Gerichte erwartet. Stattdessen teilen sich spanische und bayerische Speisen die Karte. Wir entscheiden uns gegen die Tapas und für einen Allgäuer Schlemmer-Teller mit Schweinemedaillons, Rahmchampignons, Käsespätzle und Wirtshaussalat und für einen Zwiebelrostbraten mit Bratkartoffeln und ebenfalls einem Wirtshaussalat. Die Stimmung hier im Lokal ist anders als am Vortag. Hier herrscht weniger Wirtshaus- sondern mehr Gaststuben Flair. Es ist gediegen hier, gutbürgerlich. Das Essen schmeckt wie schon am Vortag richtig gut.
An unserem dritten und letzten Abend verschlägt es uns in Jaegers, das direkt an der Talstation der Brauneck Bergbahn liegt.
Und was soll ich sagen. Nach altbayerischem Wirtshaus und gutbürgerlicher Gaststube lernen wir hier eine dritte Facette der bayerischen Wirtshauskultur kennen. Das Jaegers ist durch und durch modern ohne aber dabei seine bayerischen Wurzeln zu verlieren.
Ich muss gestehen genau solche Lokale wie das Jaegers liebe ich. Lokale die es schaffen modern und traditionell zugleich zu sein. Die Wände im Gastraum sind hier ebenfalls teils mit Altholz verkleidet, das mit warmen Licht hinterleuchtet ist. Gepaart mit schlichten Holztischen, gemütlichen Bänken und Stühlen mit weichen Polstern und Schaffellen, kleinen Vasen mit Blumen und vereinzelter Alpenchic-Deko ist das Ambiente unbeschreiblich urig und behaglich.
Auch die Speisekarte schafft den Spagat zwischen modern und traditionell. Das Fleisch, das hier auf den Tisch kommt, stammt vom ortsansässigen Metzger, der von verschiedenen Bauern aus dem Isarwinkel beliefert wird. Neben Schnitzel und Zwiebelrostbraten finden auch Spinatknödel, ein Fischduett, verschiedene Salate und auch eine plattierte Rinderhüfte mit Rucolasalat, Kirschtomaten, Parmesan und Kräuterbaguette, für die ich mich entscheide und die grandios schmeckt, ihren Weg auf die Karte. Bekannt ist das Jaegers aber vor allem für seine Steaks vom Holzkohle Grill und für die Burger.
Fazit
In den drei Tagen in Lenggries durften wir drei Lokale kennen lernen, die nicht unterschiedlicher hätten sein können und sich doch in einem Punkt ähneln. Sie alle haben ihre Wurzeln zu Bayern nicht verloren. Sie leben diese Heimatverbundenheit nur auf unterschiedliche Weise aus.
Wirtshauskultur – zum Glück lebt sie noch in Bayern und zum Glück ist sie so vielseitig.
Ob nun das klassische Wirtshaus, das gutbürgerliche Gasthaus oder das urig und zugleich hippe und rustikale Lokal das einzig wahre ist – darüber möchte ich nicht urteilen. Ich persönlich finde, das alle drei Lokaltypen ihren eigenen Charme haben. Und mal ganz ehrlich. Genau diese Unterschiedlichkeit an Lokalen macht doch die Wirtshauskultur aus. Oder etwa nicht?
Info
Wieserwirt
www.wieserwirt.de
Karwendelstr. 25
83661, Lenggries
Öffnungszeiten
Mittwoch bis Montag 11.00 Uhr bis 14.00 Uhr und 17.00 Uhr bis 21 Uhr
Dienstag Ruhetag
Der Altwirt
www.altwirt-lenggries.de
Marktstraße 13
83661 Lenggries
Öffnungszeiten
Dienstag bis Sonntag 8.00 Uhr bis 24.00 Uhr
Montag Ruhetag
Jaegers
www.jaegers-grill.de
Gilgenhöfe 29b
83661 Lenggries
Öffnungszeiten
Montag bis Donnerstag17.30 Uhr bis 24.00 Uhr, Freitag bis Sonntag und an Feiertagen 10.00 bis 24.00 Uhr.